Neues Leben für historisches Industriedenkmal: Die Bärenquell-Brauerei in Berlin auf dem Weg zur Wiederbelebung

12. Oktober 2025
3 Minuten Lesezeit

Zwischen Verfall und Vision: Die alte Bärenquell-Brauerei in Niederschöneweide steht sinnbildlich für die Herausforderungen und Hoffnungen urbaner Transformation.

Einst ein florierender Braubetrieb, liegt die Anlage seit Jahrzehnten im Dornröschenschlaf – doch nun formieren sich konkrete Pläne zur Wiederbelebung des Ensembles.
Was war, was ist und was kommt? Ein umfassender Blick auf eines der spannendsten Berliner Industriedenkmäler.

I. Historischer Rückblick: Vom Brauereibeginn bis zur Stilllegung

1882–1910: Die Gründung und frühe Blütezeit

Gegründet wurde die Anlage 1882 von Max Meinert und dem Braumeister Kampfenkel als „Brauerei Borussia“. Das wachsende Berliner Stadtgebiet bot ideale Bedingungen für Bierproduktion und Transport. Zwischen 1882 und 1906 entstanden Verwaltungsgebäude, Flaschenlager, Maschinenhäuser und Sudhäuser – viele davon im neugotischen Stil mit markantem rotem Backstein.

Später übernahm die Schultheiss-Brauerei AG die Produktionsstätte, was den Grundstein für industrielle Expansion legte.

1945–1990: Die Zeit des VEB Bärenquell

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Brauerei zum volkseigenen Betrieb (VEB). Unter der DDR war „Bärenquell“ ein beliebtes Bier, das in der gesamten Republik vertrieben wurde. Der Betrieb zählte hunderte Beschäftigte und galt als einer der wichtigsten Arbeitgeber im Berliner Südosten.

Das Gelände wurde in dieser Zeit mehrfach erweitert, etwa durch neue Produktionshallen in den 1960er-Jahren.

1994: Das Ende einer Ära

Mit der deutschen Wiedervereinigung konnte der Betrieb den Umbruch nicht überstehen. Moderne Technik, steigende Kosten und Absatzprobleme führten 1994 zur endgültigen Stilllegung – nach über 110 Jahren Brautradition.

Seitdem steht das Gelände leer – ein Ort zwischen Industriegeschichte, Verfall und Neuanfang.

II. Zustand und Zwischennutzungen heute

Denkmalschutz und Verfall

Das Areal an der Schnellerstraße 137 erstreckt sich über mehrere Hektar. Fast alle Gebäude stehen heute unter Denkmalschutz. Viele Bauten sind jedoch stark beschädigt: undichte Dächer, eingestürzte Decken, zerstörte Fenster und Graffiti prägen das Bild.

Trotz allem: Der historische Charakter ist noch deutlich erkennbar – vom Backstein-Sudhaus über die alten Kühlhäuser bis hin zu den imposanten Schornsteinen.

Revier Südost: Kultur statt Stillstand

Seit 2020 ist auf dem Gelände wieder Leben eingezogen. Das Kollektiv Revier Südost, hervorgegangen aus dem ehemaligen Club „About Blank“, nutzt Teile der Anlage für Kulturveranstaltungen, Märkte, Clubnächte und Kunstprojekte.

Der „Baergarten“ ist zu einem beliebten Treffpunkt geworden, wo Biergartenatmosphäre auf Industriekulisse trifft. Auch kleinere Clubs, Ausstellungen und Open-Air-Events prägen seither das Bild.

Damit wurde das Areal von einem „Lost Place“ zu einem Ort der urbanen Kreativität und Zwischennutzung.

III. Visionen und Entwicklungspläne

Das Projekt „The Brew“

Ein neuer Entwurf des Architekturbüros Barcode Architects trägt den Titel „The Brew“.
Die Vision: ein urbanes Quartier mit Büros, Wohnungen, Kultur- und Freizeitflächen. Bestehende Strukturen sollen denkmalgerecht erhalten und durch moderne Architektur ergänzt werden.

Die Architekten sprechen von einem „sozialen Treffpunkt an der Spree“, der die Geschichte der Brauerei in ein modernes Stadtgefüge überführt.

Investor und Stadtentwicklung

Eigentümer des Geländes ist der Projektentwickler HAVA (HCM). Laut mehreren Berichten soll in den kommenden Jahren ein umfassendes Sanierungs- und Nutzungskonzept umgesetzt werden – mit einem Mix aus Gewerbe, Kultur und Gastronomie.

Ein Brauereimuseum sowie öffentliche Wege durch das Areal sind Teil der Überlegungen. Die Denkmalpflege spielt dabei eine zentrale Rolle: Fassaden und Gebäudestrukturen sollen möglichst originalgetreu erhalten bleiben.

Herausforderungen

Die Umsetzung ist komplex:

  • Denkmalschutzauflagen erschweren Abrisse und Umbauten.
  • Finanzielle Risiken durch Sanierungskosten und Energieeffizienzstandards.
  • Konflikte zwischen Kultur und Kommerz, da viele Kulturschaffende befürchten, durch spätere Luxusprojekte verdrängt zu werden.
  • Fehlende Baupläne und Genehmigungen verzögern bislang den Start.

Trotzdem gilt: Das Bärenquell-Areal ist eines der wichtigsten Entwicklungsprojekte im Berliner Südosten.

IV. Bedeutung für Stadt und Region

Die Bärenquell-Brauerei ist nicht nur ein Gebäude, sondern ein Stück Berliner Identität.
Sie erzählt die Geschichte von Industrialisierung, sozialistischem Alltag, Umbruch und Gegenwartskultur – ein Ort, an dem sich die Stadtgeschichte wie in Schichten ablesen lässt.

Für den Bezirk Treptow-Köpenick könnte die Wiederbelebung des Geländes enorme Impulse bringen:

  • Wirtschaftlich, durch neue Arbeitsplätze und Tourismus.
  • Kulturell, als Ankerpunkt für Kunst- und Clubkultur.
  • Städtebaulich, als Verbindung zwischen der Spree und den angrenzenden Quartieren.

V. Ausblick

Noch 2025 sollen neue Machbarkeitsstudien vorgestellt werden, um die künftige Nutzung festzulegen.
Parallel läuft die Erhaltungssanierung einiger Gebäudeteile, damit der Verfall gestoppt wird.

Langfristig soll ein „neues Stadtquartier an der Spree“ entstehen – offen, kreativ und historisch geprägt.
Die entscheidende Frage bleibt: Kann die Balance zwischen Denkmal, Kultur und moderner Stadtentwicklung gelingen?

Quellen und weiterführende Informationen

  1. Berliner Zentrum Industriekultur – Bärenquell-Brauerei
  2. Entwicklungsstadt Berlin – Reaktivierung der historischen Bärenquell-Brauerei
  3. Tagesspiegel – Neues Leben für das alte Bärenquell-Areal
  4. Berliner Morgenpost – Bärenquell-Areal will im Sommer öffnen
  5. Abandoned Berlin – Bärenquell Brewery
  6. World Architecture – The Brew by Barcode Architects
  7. Immobilien-Projektmanagement Berlin – Bärenquell-Brauerei in Berlin Niederschöneweide
  8. Denkmaldatenbank Berlin – Objekt Bärenquell-Brauerei
  9. Revier Südost – Offizielle Website
  10. Maulbeerblatt – Debatte um Nutzung des Areals
  11. Airport Region Berlin Brandenburg – Wiederbelebung des historischen Bärenquell-Areals

Fotos: © Redaktionszeit / Christian B.

Zuletzt aktualisiert: 12.10.2025

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